Kulturelle TrendsMeine liebsten Fashion-Musikvideos Sommer 2022
Ich liebe Musik! Dir geht es nicht anders? Ab nun werde ich bei uns im Blog ab und an Musikvideos vorstellen, die mich in modischer Hinsicht begeistern und die mich inspirieren. Film, Fernsehen und Musik sind untrennbar mit Fashion verbunden und manche KünstlerInnen sind so stark in dem, was sie tun, dass sie mich zur Gänze zu vereinnahmen mögen und mir einen Vibe vermitteln, den ich unbedingt in mein eigenes Leben übertragen möchte. Ich meine, welches Mädchen hat nicht schon mal davon geträumt, wie Beyoncè in "Hold Up" mit dem Baseballschläger herumzuspazieren in einem umwerfenden, gelben Kleid von David Koma und darin Zeug zu zertrümmern? Madonna's von Jean Paul Gaultier entworfener Body mit spitzen Boobs hat sich fix in unser Gedächtnis gebrannt, genauso wie Michael Jackson und sein 80er-Musikvideo-Style, der Modegeschichte schrieb. Der springende Punkt ist, dass man sich auf vielfältige Art und Weise von Musik beeinflussen lassen kann und es, lässt du es zu, deinen modischen Horizont ungemein erweitert.
Ich entscheide mich bewusst für neuere Musikvideos, die mich persönlich beeinflussen, obgleich ich erweiternd dazu manchmal Klassiker vorstellen werde, die Fashion-Hits sind und die so gut wie jeden begeistern. Was du erwarten darfst, ist modisches Wissen rund um das kreative, musische Schaffen einiger KünstlerInnen, auch falls diese nicht zwangsläufig Musik machen, der ich zugetan bin. Persönlich höre ich vorwiegend Black-Music und genauer Hip-Hop, R&B, Dancehall und Reggae, die allesamt als Musikrichtung eine Eigendynamik haben und deren Kultur durchaus negative Assoziationen in manchen Köpfen weckt. Aber Musikgeschmäcker variieren eben, weshalb ich mich bei uns im Blog auf die modische Komponente und auf die Aussage der jeweiligen Videos fokussiere.
Camila Cabello ist überhaupt nicht mein Ding und ihre Musik ist mir gewöhnlicherweise zu poppig. Trotzdem hat sie es drauf, hat sich aus der Girlband "Fifth Harmony" befreit und sich erfolgreich ihrer Solokarriere hingegeben, die tatsächlich läuft. Wie man weiß, ist dass ja nicht immer so bei Girl- und Boyband-Members und was mir insbesondere an Camila gefällt ist, dass auch wenn sie meistens auf Englisch singt, sie stets ihre kubanischen Wurzeln miteinfließen lässt und stolz zeigt, dass sie Latina ist. Obendrein lässt sie sich in letzter Zeit gerne von vergangenen Dekaden beeinflussen, wie Videos wie "Don't go yet!" beweisen, wo sie sich an den 80ern orientiert und vieles davon ist tatsächlich ästhetisch, modisch und cool. "Psychofreak" ist allerdings viel mehr, und das haben wir nicht zuletzt Willow zu verdanken, die glaubhaft ist im Video und in ihrer Rolle.
🔷"PSYCHOFREAK" MESSAGE
Willow, die sich offen als bisexuell geoutet hat und die Polyamorie nicht abgeneigt ist, entspringt einer neuen Generation queerer Menschen, die das offen kommunizieren und die sich nicht schämen, anders zu sein als die breite Masse, selbst wenn sie stetig dafür kämpfen müssen, und das nicht zuletzt mit sich selbst. In den letzten Jahren ist eine hitzige Debatte entstanden um die richtigen Anreden und gerade nonbinäre Menschen werden lauter mit ihren Forderungen. Verständlich, weil sollte man sich weder als männlich noch weiblich definieren, will man auch nicht derartig angesprochen werden, geschweige denn, dass es im Pass steht und so gut wie überall abgefragt wird. Klar, irgendwie ist es verständlich, dass die Änderungen in der Sprache auf Gegenwehr stoßen, müssen wir von nun an "hen" anstatt "sie/ ihn" verwenden. Verständlich aber nur, weil wir bereits wissen, dass es zahlreiche Sturköpfe da draußen gibt, die dem Fortschritt abgewandt sind und die uralte Werte vertreten, die von uns konstruierte Geschlechter beinhalten, auf dass man alles schön in Schubladen stecken und kategorisieren kann.
Pink für Mädchen, Blau für Jungs und nichts dazwischen? Wer bist du schon, irgendjemanden das Recht auf die gewünschte Anrede abzusprechen? Heißt du Jutta, kommst in die Schule und möchtest von allen JayJay gerufen werden und sagst es offen, findest du es bestimmt ebenso wenig prickelnd, sollten dich schließlich alle Jutesack nennen, nur weil sie es lustig finden und meinen, dass sie das Recht dazu besäßen, oder? Der Vergleich hinkt ein wenig, doch was ich damit sagen möchte ist, dass es einzig und allein dir überlassen ist, wie du angeredet werden willst, und das Gegenüber muss sich fügen. Denn so läuft das in der Regel in einer gut sozialisierten Gesellschaft, wo wir alle die selben Rechte und Verantwortungen haben.
Ich halte nichts davon, dass Fremde darüber bestimmen, ob du ein Mädchen, ein Junge oder etwas dazwischen bist und die Zeiten müssen endgültig vorbei sein, wo sich queere Menschen in unseren Breitengraden derartig demütigen lassen müssen. Wir alle sind gleichwertig und bist du Herr Meier und willst so gerufen werden, ist es doch nachvollziehbar, dass Frau Schmidt sich in Herrn Schmidt umbenennen darf, und dass du das akzeptierst. Andernfalls steht es dir meiner Meinung nach frei, gleichsam kreativ mit Herrn Meiers Namen umzugehen, genauso wie es Herr Meier vormacht und vielleicht den Buchstaben M wegzulassen. Nur so als Input, denn gleiches Recht für alle, was meinst du? Mit nonbinären Identitäten ist es verständlicherweise schwieriger, jedoch sind sämtliche nonbinären Menschen sensibilisiert und wissen, dass es Verwirrung stiftet, weswegen einfach höflich und beiläufig nach der Anrede zu fragen in der Regel akzeptiert wird. Und abgesehen davon, greifen die meisten Nonbinären vor und sind Mensch genug, um ihre Anredewünsche frei zu äußern. Es wird dir sicher niemand den Kopf abreißen, solange du es versuchst. Das Problem sind jene Ignoranten, die dir eine gewisse Existenz aufzwingen und die dich eben nicht als Individuum wahrnehmen, indem sie dich stur labeln.
Es ist neu, es ist viel verlangt und noch nicht derartig etabliert. Jedoch befindet sich die Sprache ohnehin im stetigen Wandel, denk nur mal an die englischen Begriffe, die die deutsche Sprache heutzutage umso flexibler machen und im Zweifelsfall muss man es jeder Person zugestehen, dass sie sich die eigene Anrede selbst aussucht. Ich rede nicht davon, jedes kleinste Detail der Sprache sofort umzuwälzen und anzupassen. Die Existenz nonbinärer Personen allerdings zu leugnen, ist definitiv nicht der richtige Weg, weil es längst genug ist und die queere Community allen gezeigt hat, dass bunt, andersartig und eigenwillig zu sein etwas Wunderbares ist, das ruhig zelebriert werden darf. Und jeder, der das nicht einsieht, liegt falsch.
Willow charakterisiert diesen neuen Spirit für mich. Sie ist zwar nicht nonbinär, aber queer und der Song spricht allen Menschen aus der Seele, die sich schon mal fehl am Platz gefühlt haben. Erst neulich habe ich "Growing Up Gay" auf Netflix gesehen, indem der britische Sänger Olly Alexander fast exakt die Lyrics des Songs rezitiert.
"I wish I could be like everyone but I'm not like anyone"
Das ist die Aussage von "Psychofreak", die sich sich an alle wendet, die sich nicht in eine Schublade stopfen lassen möchten, ob du nun queer bist oder nicht. Gehört man nicht dazu, wird man nicht anerkannt und akzeptiert und hat vielleicht nicht die Kraft, um sich dagegen zu wehren, fühlt man sich schnell wie ein Alien oder ein Pyschofreak, der ein Fehler im System ist. Hast du gewusst, dass queere Leute viel häufiger betroffen sind von psychischen Krankheiten, und dass die Mortalitätsrate bei queeren Jugendlichen weit höher ist als üblich? Selbiges gilt übrigens für Flüchtlinge, weshalb man sich einen queeren Flüchtling, und das was dieser durchmacht, gar nicht erst vorstellen will. Ergo offensichtlich, dass da etwas gewaltig schiefläuft.
Es geht rasant und ist gefährlich. Eltern geben Ignoranz an ihre Kinder weiter, die Leute in der Schule mobben, die sie nicht verstehen, weil sie es halt nicht anders kennen, und das ist im Umkehrschluss die Ursache dafür, dass der fünfzehnjährige, schwule Junge von der Brücke springen will. Genauso brutal wie es klingt, ist es auch, weswegen ich mir persönlich wünsche, dass der Biologieunterricht in der Schule endlich aufhört damit, derartig heuchlerisch zu sein und die Realität aufzeigt, ohne wichtige Facetten der Sexualität auszulassen, damit wir einen Schritt weiter Richtung Normalisierung kommen. All die Rechtspopulisten, Erzkonservativen und Querdenker werden irgendwann ins Hintertreffen geraten und der Wandel, und das Aufbegehren der queeren Leute sind sowieso irreversibel. Sie sind da in unserer Gesellschaft. Gekommen, um zu bleiben. Sie fordern ihre Rechte und es ist bloß noch eine Frage der Zeit, bis sie diese erhalten. Also ein logischer Schritt wäre für mich, all das zu akzeptieren und Zugeständnisse zu machen, um vielleicht im Endeffekt selbst davon profitieren zu können. Da Logik jedoch eine Seltenheit ist, geht es um Querulanten und ihre Vorurteile, heißt es wahrscheinlich im Klartext, dass weitergekämpft werden muss, auf dass wir irgendwann ankommen und einige Dinge selbstverständlicher sind.
🔷 "PSYCHOFREAK" FASHION
Die Mode des Videos ist durch und durch Y2K, was ein charakteristischer Trend dieses Jahr ist, wie der Artikel 👉 Modetrends Sommer 2022verrät und mittlerweile ist es zu einer Lebenseinstellung vieler geworden. Der Trend orientiert sich stark an den 90ern und Camila mit ihrem Vokuhila trifft genau ins Schwarze. Etwas punkig und goth, sprechen die Mäntel, die Plateau-Boots, die Strumpfhosen, der Schmuck und alles andere eine düstere und dennoch klare Sprache, die Y2K heißt, obgleich der Trend durchaus farbenfroh und heiter à la Spice Girls inszeniert werden darf und somit fernab von der Klapse, in der "Psychofreak" spielt. Das Video verfügt jedenfalls über keine aufwändigen Outfitwechsel, abgesehen vom schwarzen Bodycon-Kleid mit Schlitzen, das Camila trägt und was für ein Zufall! Auch Schlitze, Fransen und Cut-Out sind angesagt diese Saison. Alles in allem handelt es sich daher um ein bewusst trendiges Musikvideo, das aufgrund der Message dennoch sinnhaft, langlebig und wichtig wird.
Die gute SumeRR kennt vermutlich niemand großartig. Selbst ich kannte sie nicht und ich habe den Song zufällig auf Youtube entdeckt, als mir dieser von der Plattform vorgeschlagen wurde. Es handelt sich um eine britische Dancehall-, Soul- und Reggae-Sängerin, die noch nicht viele Songs in petto hat, die kaum bekannt ist und deren restliche Musik nicht unbedingt "Alien Town" entspricht. Trotz der unglaublichen Stimme, die unverkennbar ist und wichtigen Messages, die all ihren Texten innewohnen. Das Musikvideo thematisiert die Ankunft ihrer Familie aus Jamaika in England und ist stark von den 60ern und 70ern inspiriert, wie die Kleidung, der Style und nicht zuletzt der Filter des Werkes aufzeigen. Es gibt halt Videos, die einen sofort catchen, was üblicherweise der Fall ist bei mir, lassen die KünstlerInnen tief in die Seele blicken und erzählen ungeschönt vom Leben. Die Looks sind eine Sache, jedoch gehört mehr dazu für mich, damit Song und Video mich derartig packen, auf dass es zu einer unvergesslichen Angelegenheit wird.
Der Song ist richtig cool, die Stimme ein Geschenk, und das, was sie sagt, erzählt die Geschichte der schwarzen Bevölkerung und wie sie in England aus der Karibik einwanderte. Schwarze gibt es bereits seit Jahrhunderten in Großbritannien, auch falls manche Leute das Gegenteil behaupten und die große Migration fand nichtsdestotrotz primär in den 50ern, 60ern und 70ern statt, und zwar nach dem zweiten Weltkrieg. Viele Briten empfanden es damals als zu viel und unbestreitbar war es viel, wenngleich ich Migration weder als Problem noch als Bürde sehe, sondern als etwas, das uns Menschen als Gemeinschaft weiterbringt. Und doch ist es aufgrund von maßloser Gier in Form von Kolonialisierung dazu gekommen, dass es eine Zeit lang easy und unkompliziert war, aus einer Kolonie in das raue England zu übersiedeln. Aus diesem Grund darf man sich nicht groß wundern, dass England mittlerweile ein Schmelztiegel der Kulturen ist und jene Leute, die sich darüber aufregen, haben das ja selbst geschaffen. Das ist eben das Ding. Niemand kann immer nur nehmen ohne zu geben. Menschen auszubeuten und sie davon zu scheuchen klappt wahrlich nicht immer und selbst wir im deutschsprachigen Raum haben reichlich Erfahrung damit, wobei die türkischen GastarbeiterInnen als bestes Beispiel fungieren. Und von dem, was noch weiter zurückliegt, wollen wir gar nicht erst anfangen.
Heute könnte man den Eindruck gewinnen, dass Rassismus in Amerika erfunden wurde, weil es dort gerade extrem und offensichtlich ist und dennoch denken das lediglich Leute, die wenig reflektiert sind und deren Sicht eingeschränkt ist. Europa hat eine unglaublich lange, schmerzhafte und rassistische Geschichte und England und der Rest der Imperialisten haben Unvorstellbares getan, das sich bis in die Gegenwart wie ein roter Faden durch sämtliche, farbigen Gesellschaftsschichten zieht. Höchstens die TäterInnen vergessen und verdrängen, nicht jedoch die Opfer, da es nach wie vor omnipräsent ist. Immer noch sind Flüchtlinge und Migranten, sogar in zweiter oder dritter Generation, geringwertig, werden benachteiligt aufgrund ihres Namens, ihrer Religion oder ihrer Hautfarbe und in Großbritannien ist es wie fast überall in Europa. Es ist hart, hoch zu kommen, die Armut zu überwinden, sich eine andere Kultur anzueignen und genau das besingt SumeRR, die sich wie einst Sting in seinem Lied "Englishman in New York" wie ein Alien fühlt, als sie in England ankommt.
"Alien Town" ist verhältnismäßig nicht zu teuer gewesen und eine SumeRR verfügt garantiert nicht über ein derartiges Budget wie die Superstars. Vom modischen Standpunkt her ist es dennoch interessant, weil es ein Feeling für die englische Mode der 60er und 70er und darüber hinaus Einblicke gibt, berücksichtigt man die Retrospektive, die noch weiter zurückreicht. Gemeint sind dabei aber nicht die durchgestylten Twiggys mit Minirock oder die schmucken Beatles in ihren Anzügen, sondern es gibt Aufschluss darüber, wie die Leute in den Vororten von England ausgesehen haben, deren Lebensziel es nicht war, sich im Sinne von Woodstock selbst zu finden und sich treiben zu lassen. Es porträtiert Armut und Überlebenskampf. Es ist real und hart, hat jedoch gleichsam Substanz und Style, und das gefällt mir. Es erinnert mich außerdem an "Call the Midwife", eine Serie, die in den gleichen Dekaden spielt im Londoner East-End und die zwar zugegeben romantisiert ist und nichtsdestotrotz durch und durch fashionable und charakteristisch für diese Zeit, was Mode betrifft. Das Musikvideo fährt eine ähnliche Schiene.
Man sieht SumeRR in zeitgenössischen Outfits, die retro sind, besonders das erste im Plattenladen mit dem abstrakten 70er-Muster und dem senfgelben Mantel. Mit den fetten Shades und ihrem Sleek-Bob sieht sie aus wie die Diva schlechthin und vielfach reduzierter ist hingegen der zweite Look des Videos, der einen Kontrast schafft zum Lady-Boss-Style aus der ersten Szene. Dieser Kontrast symbolisiert ihr Hochkommen. Ein simples T-Shirt, das für Einfachheit und harte Arbeit steht ist der Style, der dem Diva-Gehabe vorausgeht bis hin zum letzten, finalen Look, wo sie verhüllt mit Kopftuch und neongelbem Mantel allein durch die Straßen Londons schreitet und einmal mehr betont, dass sie sich als Immigrantin wie ein Alien fühlt. In meinen Augen wiederholt eine Hommage an Sting. Somit ist "Alien Town" ein guter Clash der englischen und karibischen Kulturen, es ist nostalgisch und für mich eines der besten Videos, die ich in letzter Zeit gesehen habe. Wie du im Artikel 👉 Modetrends Sommer 2022 sehen kannst, ist Retro-Chic en vogue diese Saison, nicht zuletzt aufgrund von wundervollen Serien wie "Die Schlange" auf Netflix, wie du wiederum im Artikel 👉Beste Fashion Serien, Filme und Shows 2021/ 2022 nachlesen darfst. SumeRR zeigt im Plattenladen exakt auf, wie das wirksam und stylish interpretiert werden kann und sie kreiert neu aus alt. Die Karibik ist ein zentraler Teil der Londoner Kultur, und das auf jene Art und Weise, wie es uns SumeRR vermittelt, weswegen das Video für mich authentisch und real ist.
Ich interessiere mich für alle möglichen Kulturen, unter anderem für die lateinamerikanische und wer das ebenso tut, kommt an bestimmten Artists nicht vorbei. Bekannte Reggaeton-Größen wie Daddy Yankee oder Pop-Sänger wie Luis Fonsi mit seinem für mich nervigen "Despacito" sind nur ein kleiner, populärer Auszug dessen, was die lateinamerikanische Musik-Community zu bieten hat. Es gibt weit mehr Nennenswertes, ob die grandiose Anitta aus Brasilien, die uns Funk-Pop näherbringt. Guaynaa, der dem spanischen Hip-Hop neues Leben einhaucht oder Bad Bunny und Rosalìa, die echt schräg drauf sind und die sowieso ihr eigenes Ding machen. Die Sprache musst du nicht verstehen, um die Musik zu mögen und schließlich ist die lateinamerikanische, zeitgemäße Musik derartig vielseitig, dass jeder seine Nische findet, selbst Leute, die mit dem typischen Reggaeton und seichten Spanisch-Pop herzlich wenig anfangen können. Diese KünstlerInnen sind gerade dabei, alles zu erobern und sie schaffen eine Musikkultur, die auf Augenhöhe mit der nordamerikanischen konkurrieren kann.
Mariah Angeliq ist derzeit meine liebste, spanischsprachige Künstlerin und für mich ist sie die Coolste, weil ich diese Bad-Ass-Rap-Attitüde feiere. Ich bewundere ihre Art zu singen. Es hat etwas Monotones, Eigenwilliges, als würde sie nichts darauf geben, was andere über sie sagen und diese Emotionslosigkeit verbirgt sogar, dass sie großes Talent hat, was sie für mich nur noch interessanter macht. Nie im Leben habe ich jemanden derartig unverwechselbar singen gehört, obgleich sie natürlich keine Hammertöne raushaut wie eine Beyoncè oder eine Mariah Carey, selbst ist sie nach dieser Mariah benannt. Nach Mariah Carey und Aaliyah, um genau zu sein, die nebenbei bemerkt meine liebste R&B-Künstlerin in der Jugendzeit war und die leider viel zu früh verstorben ist. Mariah Angeliq ist auf jeden Fall eine Nummer für sich und die Musik ist Geschmackssache, keine Frage. Interessant vom modischen Standpunkt her gesehen ist trotzdem, dass wir gerade bei ihr beobachten können, was wir schon bei anderen Künstlerinnen wie Rihanna oder Britney Spears live miterlebt haben, und zwar den Übergang vom Mädchen zur Frau in Anbetracht dessen, was heutzutage trendet.
Sieht man sich Mariah Angeliqs Videos aus der Anfangszeit an, ist die Musik nicht minder aussagekräftig mit einzigartigem Sound, doch in Sachen Mode ist noch nicht viel zu sehen, lediglich Ansätze des frechen Lolita-Looks, was sich allerdings nun auf einen Schlag geändert hat. Mittlerweile ist ihr Style markant, Y2K, aber auch irgendwie Gangster-Hip-Hop und total abgedreht. Seit Anbeginn ihrer Karriere ist sie bereits supersexy, sinnlich und setzt definitiv auf Verführung und Unschuld zugleich. Warum auch nicht? Feministisch ist es, solange es selbstbestimmt ist und sogar falls Cardie B und "WAP" eine Nummer zu hart sind für manche Gemüter, kann mir niemand erzählen, dass diese Frauen von Männern gezwungen oder in ein Schema gepresst werden, um Platten zu verkaufen, so wie es einst Vorgängerinnen wie Britney Spears, Pink oder Christina Aguilera ergangen ist. Das hat Hand und Fuß und der Boss ist die Lady. Es ist eine befreiende Message dahinter, die uns lehrt, dass mit starken Frauen nicht zu spaßen ist, und dass sie sich ihre Rollen heute selbst herauspicken. Die "Versexung" der Gesellschaft kann man so oder so sehen, aber sexy mit willig und billig gleichzusetzen ist ein altes Denkmuster und Kurven zu zeigen heißt lange nicht, dass jeder sie anfassen darf und sie Allgemeingut sind. Bei Mariah Angeliq spüre ich diese authentischen Vibes und die Tatsache, dass sie hot aussieht, ist bestimmt nicht der Grund, warum ich sie mag. Sie hat weit mehr drauf und die Looks sind lediglich eine Facette des großen Ganzen.
Der Song "Diablita" charakterisiert die gegenwärtige Mariah Angeliq perfekt. Frech, keck, verspielt, unschuldig, aber gleichermaßen rattenscharf, versaut und durch und durch von den 90ern inspiriert und dem Y2K-Trend entsprechend, der im Artikel 👉 Modetrends Sommer 2022 ausführlich erklärt wird. Anders als Camila und Willow in "Psychofreak" setzt sie allerdings auf kunterbunte, pastellige und verspielte Looks, die Spaß machen und die etwa Unbeschwertes haben. Die gefärbten Haarsträhnen, die kleinen Zöpfchen, all die Strasssteine überall, Crop-Top, Minirock und Overknees geben 90ties-Schoolgirl-Vibes, und das kaufe ich ihr gänzlich ab.
Etwas Ähnliches sehen wir in Ludmillas "Socadonna", wo sie neben Mr Vegas ein Featuring hat. Im Grunde gibt es ein perfektes Bild dessen ab, was dieses Jahr Trend ist, nur in überzogener Version. Mesh ist in, genauso wie Retro-Prints und Y2K, wobei Mariah Angeliq alles kombiniert in einem einzigen Look im Video. Gerade ihre strammen und künstlerischen Frisuren sind eines ihrer Markenzeichen und in den Haaren sind immer haufenweise Accessoires und alles Mögliche zu sehen. "Socadonna" ist mein Sommerhit für dieses Jahr, der grandios ist und der in unseren Breitengraden bestimmt als Geheimtipp gilt.
"Hey Siri" ist ihr neuestes Werk und der Song präsentiert sich anders als ihre vorherigen. Er definiert sich über den Refrain, geht mehr Richtung Rap und zusammen mit den satten Beats ergibt das einen regelrechten Ohrwurm, zumindest für mich. Das Video hat zwei bemerkenswerte Looks, und zwar den ersten mit der pinken, glitzernden Skimaske und den zweiten, der futuristisch anmutet. Und exakt das meinte ich mit Gangster-Hip-Hop, sieht man Mariah Angeliq im Pool mit Goldketten behangen, Stulpen und Bankräubermaske, die zwei Löcher hat, damit ihre Zöpfchen Sailor Moon-artig herausragen. Der andere Style ist hingegen abgefahren und nicht von dieser Welt. Das Make-Up und die Klamotten scheinen aus einer anderen Galaxie zu stammen und weil ich sie schon eine Weile kenne, weiß ich, dass dies exakt ihrer gegenwärtigen Vision entspricht. Es ist nicht einfach nur irgendeine Alte, die angemalt und angezogen wie ein Püppchen zur Schau gestellt wird. Im Gegenteil. Es sind die Gedanken einer jungen Frau, die in Form von Textilien und Liedern ausgedrückt werden und insbesondere aus diesem Grund prophezeie ich ihr eine rosige Zukunft als Künstlerin. Es ist übertrieben, neuartig, ein bisschen nischig und extraordinär. Aber genau das schätze ich an Mariah Angeliq.
Über Beyoncès Vormachtstellung in unserer Welt brauchen wir nicht mehr zu diskutieren und in der Tat ist sie die Queen. Nicht umsonst ruft man sie "Queen B" und sie hat in vielerlei Hinsicht Geschichte geschrieben. Deshalb ist im Grunde alles, was sie macht, heute und für alle Zeiten legendär und ikonisch und die Menschen werden sich das selbst in fünfzig Jahren noch anhören und ansehen. Googelt man modische Musikvideos, stößt man auf sämtlichen Plattformen auf einen bestimmen Konsens, der Beyoncè heißt und dennoch ist man sich uneinig darüber, welches Video der Game-Changer schlechthin ist. Manche behaupten, es sei "Run the World (Girls)", andere wiederum "Formation" und genau kann man das auf den ersten Blick tatsächlich nicht sagen, wird ausschließlich die Mode beurteilt und nicht näher hinterfragt.
Das größte und aufwändigste Modewerk ist mit absoluter Sicherheit "Black is King" und alles, was damit zusammenhängt. Das Musikvideo "Already", und das mit "Disney's Lion King" verbundene "Black is King", das beides auf Disney+ abrufbar ist, hat neue, moderne Facetten der afrikanisch-inspirierten Mode aufzeigt. Es ist tribal, natürlich, etwas rau und für mich ist es der Zenit ihres Schaffens, schon längst ein Klassiker, auch wenn es bloß ein paar Jahre auf dem Buckel hat und so gesehen noch relativ neu ist. Es ist das modische Projekt schlechthin der letzten Jahren, das nach ihrer Female-Empowerment-Kampagne davor mit "Run the World (Girls)" schließlich in eine gänzlich andere Richtung geht, die nicht weniger für Empowerment steht. Es betont abermals, dass dunkle Haut ein Geschenk ist, und dass ihr eine Kraft innewohnt, die vor Schönheit nur so strotzt.
Laut der deutschen Vogue ist "Formation" ein Video, das die Welt nachhaltig geformt hat, was daran liegt, dass Beyoncè sich mit diesem Werk der Welt geöffnet hat. Sicher, hat es keinen flächendeckenden Style-Trend erschaffen wie einst "Wannabe" von den Spice Girls oder "Baby On More Time" von Britney Spears. Doch war es ein wichtiger Schritt für sie als Künstlerin und der Auftakt jener Beyoncè, die wir heute sehen. Bereits als Kind war ich großer Beyoncè-Fan und kenne so gut wie alle Destiny's Child-Songs auswendig. Beyoncè ist ebenso ein Kind der 90er, das von sämtlichen Seiten unterdrückt wurde, ob vom Dad oder von männlichen Plattenbossen und sie hat lange gebraucht, um sich wahrhaftig zu zeigen. Vorher war alles perfekt und glatt ohne jegliche Makel. Mit "Formation" sieht man jetzt aber auf einmal eine politische Beyoncè, die sich erstens bombastisch inszeniert und die zweitens über Rassismus, Naturgewalten wie Hurrikans, Vorherrschaft und Polizeigewalt spricht. Das haben ihr viele Leute damals nicht abgekauft, was vermutlich jene waren, die erst bei "Formation" erkannt haben, dass Beyoncè überhaupt nicht weiß ist. Ich war erleichtert, um ehrlich zu sein.
Ich habe "Formation" zeitgleich mit "American Horror Story: Coven" gesehen und beides hat exakt die selben Vibes für mich. Beyoncè und die "Statisten-of-Colour" im Video in üppigen Südstaatenkleidern à la "Vom Winde verweht"? Dunkelhäutige Männer angezogen wie "Boys", die damals in den Herrenhäusern dienen mussten und dunkelhäutige Frauen wiederum gekleidet wie die weißen Herrinnen der Baumwollplantagen? Das richtet sich selbstverständlich bewusst Richtung Süden der USA, wo Rassismus und alles, was dazugehört, tief verwurzelt und nach wie vor ziemlich übel ist, wie uns nicht zuletzt Trump klar aufgezeigt hat. Schwarze in derartigen Kleidern zu sehen war zum damaligen Zeitpunkt etwas Neues, zumindest für mich und ich fand es fabelhaft und habe es sofort verstanden. Heute ist es gang und gebe, alle möglichen Personen in opulenter Garderobe zu sehen, die geschichtlich gesehen nicht für sie gedacht war, nicht zuletzt aufgrund des für mich zu kitschigen "Bridgerton" auf Netflix, das ich hier im Artikel 👉Beste Fashion Serien, Filme und Shows 2021/ 2022 vorstelle, und das eine schwarze Königin porträtiert. Gelungen, gebe ich zu, jedoch den Aufruhr darum verstehe ich nicht, denn Beyoncè was first, und zwar im Jahr 2016, als "Formation" entstanden ist.
Aus diesem Grund befinde ich das Musikvideo sehr wohl als einen Meilenstein in der Mode, da es nicht bloß ein neuer Start für Beyoncè ist, der sie unbequem mit Ecken und Kannten zeigt, sondern die ehemals Versklavten die Rolle der Versklavenden einnehmen zu sehen ist überdies eine starke, modische Message. Fashion kann kraftvoll und ein Politikum sein und dahingehend bin ich vom Artikel auf der Internetplattform der deutschen Vogue enttäuscht. Es mag interessant sein, dass Beyoncè Chanel und Gucci trägt in "Formation", und dass sie damit beginnt, ihre Meinung zu äußern. In Wahrheit ist allerdings das Südstaaten-Ding für mich der Aufhänger und die Headline, das eine geballte, modische Wucht und ein wagemutiges Statement darstellt. Dass sie progressiv ist, verwundert niemanden weiter. Überraschend ist eher die radikale Art, wie sie die Geschichte interpretiert und sie stellt die weiße Vorherrschaft und die schwarze Untergebenheit sehr plastisch und real nach, verleiht ihr einen zeitgenössischen, modernen Anstrich und somit ist es letztendlich die Mode, die den Rassisten der USA besonders sauer aufstoßen wird. Man muss berücksichtigen, was für eine Reichweite diese Frau hat und "Formation" stellenweise aussehen zu lassen wie "12 Years a Slave" finde ich imposant und couragiert.